Jürgen Polinske: Zur Unzeit
Fünf Minuten vor 18.00 Uhr
Sie sagt:
Du bist zu früh
.
Eine Minute später
sagt sie:
Warum erst jetzt?
.
Ein Wimpernschlag danach:
Ich weiß nicht warum ...
.
Und gleich darauf:
Entschuldige!
Fünf Minuten vor 18.00 Uhr
Sie sagt:
Du bist zu früh
.
Eine Minute später
sagt sie:
Warum erst jetzt?
.
Ein Wimpernschlag danach:
Ich weiß nicht warum ...
.
Und gleich darauf:
Entschuldige!
Pfötchenleise, Schnurrefein
ziehe deine Krallen ein
ist meine Hand in deinem Fell
Lautlosschleiche, Springeschnell
deine Pfoten weich wie Samt
solange Licht am Himmel flammt
Nachtsichtgute, Augenglühn
schleichst du im Dämmern durch das Grün
halt dich zur Jagd bereit
Ob Kater du, ob Tigermaid
des nachts fahr deine Krallen aus
mich dauert keine Maus
Die späte Schwalbe und die frühe Fledermaus
plauschen mit den Pferden hier am Haus
die wachen am Giebel
über Wohlsein und Übel
nur wiehern können sie nicht.
Rosen und Düne sind mein Gedicht
gehüllt in die Seide der Nacht
Leise rauscht der See und lacht:
Ich schicke jetzt Mücken
die werden dich zwicken
und jucken, ärger als jede Laus
Da bitt ich Fledertier und Schwalbe
jetzt, beim Mückenschmaus
Ich werde wieder geboren
wenn mich die Sonne holt
ziehe ich als Wolke
die Berge hinauf
weine am Gipfel
dann kehr ich wieder
als Bach
kühl in den Tälern
geschmeidig an Mädchenfüßen
geschwätzig mit Mühlen
helfe Gräsern, den Tieren
und dir
den Durst zu löschen
Wenn ich mein Bett verlasse
ertrinken die Gräser
und Ameisen auch
Werde ich dann wiedergeboren
vielleicht
Persische Schöne
Deine Farbspiele so wild
Komm, reich mir den Kelch
Der Rand aus Flammen
Im Innern das Licht, Gelbgold
Glut meiner Liebsten
Du Ungeschminkte
Ich spüre deine Lippen -
Die Lust steigt nach Frost
Once nueve
Noch im August
flimmert mein Herz
Vence –re – mos, Vence – re - mos
wie Maschinengewehre
die Moneda
wird
bom
bar
diert
Ich sehe Blut fließen
aus den Tälern der Anden
spüre das Würgen
am Hals der Mapuche
höre das unvollendete Lied
verfluche
wie machtlos ich war
tausend
Sekunden
nach Null
zur Cita de la poesia 2012 (Spanien im Herzen 1936-39)
Hölderlin verliebte sich, läse er Neruda, seine Zeilen
aus „España en el corazon“
Liebe im Geruch von Pulverdampf
und Schweiß,
der Sonne wegen und der Angst,
Blut und Blei zu schmecken,
dass starr die Zunge,
die soeben, in der Fluglärmpause,
vor dem Krachen neuer Bomben
buchstabieren übte
und Lorcas Lieder schickte,
zum Feind hinüber, in den Graben.
Zerbombt der Sänger Haus,
und die lesen lernten
erschlagen, erschossen, verscharrt.
Spaniens Erde ist unruhig,
einen traurigen Takt klappern Kastagnetten, die Knochen.
Sie tanzen Flamenco, begleitet
von Gitarren, zerschlagen.
Lorca, Lorca, dein Name ist schon Musik,
Gräser und Flüsse wogen, ein Puls ist der Rhythmus des Winds.
Finstere Romanzen dringen ins Licht, von der Diotima der Dichter eine
und eine von einer Roma, die vom Gold der Mauren weiß,
tief unter der Alhambra,
in Spaniens Herzen.
Ja, so verliebt sich Hölderlin…
Zum Piton de la Fournaise1
Im Tal zog Nebel auf / Ein schlechtes Zeichen zu so früher Stunde / Am Parkplatz unterm Gipfel setzte Regen ein / Regen, Regen, Regen - ein Regen, kalt wie im November in Berlin / Wolken im Gesicht, grau und trist, wie einst Soho, undurchdringlich / Als die Wolken aber über unsre Köpfe stiegen, für einen Augenblick – eine Einsicht hatten wir frei:
Schmierseife ist stumpf
gegen den nassen Grund auf Basalt
Der Wind ist kein Freund
nicht im Rücken
nicht von vorn
Wie dick auch die Sohlen
unter den Füßen
wir spürten des Vulkans leises Grollen
der uns doch nur
seine kalte Schulter gezeigt
1 Der Vulkan der Insel
die Schabe flieht nicht das Licht
und der Tag ist so hell
Eine Ameise umrundet sie
berührt sie am hinteren Beinpaar
berührt ihre Fühler
läuft rückwärts dann
mehrfach -
Warum nur folgt ihr die Schabe
Das Ameisenvolk wird tanzen
bei so viel Proviant
„ ... Jetzt da die Betschemel brennen, ...“
Paul Celan
Inmitten von Restwärme aller Liebe
erfrieren die Worte
Jetzt, da Türme stürzten
atme ich Staub
An Lidschwere erkrankt die Augen
Stähle wetzen, schmerzt die Ohren
Ich trinke Steine
Laßt mich
Haß will ich jagen
zum Frieden hin
Die Erinnerung
an mein Paradies
aus dem ich mich nicht vertreiben lasse
heißt: Traum
06.05.2006
Am Morgen
hör ich noch das Gras wachsen
was die Biene der Blüte verspricht
Steine Schmetterlingen neiden
(schlecht zu verstehen, der Tag
ist zu laut)
Nachtfalter spekulieren von
Formen und Farben der Knospen
Und des Nachts alle grauen Katzen
Fangen Erinnerung an Maus und Fisch
Und des frühen Vogels Duft
Der hohe Morgen
unversehrt zerschnitten
in Blau und Blau
und Blau
von Möwenschwingen
Meine Augen trinken
was hervorquillt
das Blau hinter dem Blau
dem Anfang von allem
(Portugal im Mai 2008)
Die letzte Bratwurst vor Amerika
steht es werbend am Stand
Der Wind hier drückt landein
jeden Geruch
Von der silbernen, nur für Augenblicke goldenen See
kommen Frische und Algen
Ich schmecke Salz auf den Lippen, Sand aus Afrika
eine Spur Mango
Kakao und Tomaten
Vanille mischt sich mit meiner Liebsten Duft
dem Erinnern an meine zarte Barbarin
von damals
den beißenden Schweiß von Sklaven
Schwer von Verheißungen
weht mir der Wind entgegen
Nur wer gegen ihn kreuzt
erreicht das Meer hinter dem Meer
Ich stemme mich vorwärts
zum Klippenrand hin
Der Wind jedoch drückt
ins Land ....
für Marina
Im Leben gebührt Dir der Thron
Ines
meine Ines
Um Dir in die Augen zu schauen
mag ich nicht Dein Grab
dem meinen gegenüber
Mag dem Wind vertrauen
mit den Wolken ziehen
Tropfen für Tropfen dienen
dass wir in Blüten erstehen
Ich warte nicht
auf den Jüngsten Tag
Juergen Polinske 06.05.08
Ort, Kloster in Portugal, an dem die Särge von Dom Pedro und Ines de Castro ( portug. Romeo und Julia) sich gegenüberstehen
In der wachsenden südlichen Nacht
Fügen sich aneinander
Weiß und Gelb
Schmiegen sich
Schmeichelnd
Dem Blau
Grün wiegt sich im Grün
Hinter dem
Gegen Rot
Schwarz aufsteht
So streiten die Farben
Um Harmonie
1.
Die Störche in ihren Nestern
still
von Schwalben umkurvt
Eine Schwalbe, heißt es
macht noch
keinen Sommer
Hier sind’s
aber so viele
2.
An der Seite der Chasidin
ich, ihr Al Mansor
Faro, die Algarve
zu Tausend und einer Nacht das Tor
Wind wie zärtlichstes Zupfen einer Harfe
Das Licht in den Straßen war
zu hell, ein wenig, entbehrte des Sinns
denn menschenarm war der Basar
Wäre ich bei ihr der portugiesischen Schönen
wir wagten das Zauberwort: Mutabor
3.
Und das Blau der Jacaranda-Bäume, nicht wahr
ist nicht Blau und ist auch nicht Violett
Dies südliche Blau, ein Blau der Moderne
zu schwarzweißem Gefieder
ein greller Kontrast
Menage a trois
*Ich möchte Sterne essen
Flüstert der Mond
Mit dir anstoßen Flimmernacht
Auf Glanz bis zur Neige
Wie solch Gefühl heißt
Ich kenn keinen Namen
Dich Mond möchte ich trinken
Bittet der Teich
Rechtshalb linkshalb
Voll und ganz
An meinen Lippen erzittern
Spiegel sein und Schatten
Eine gemeinsame Decke haben Herrchen und Hund
Der Satz des Pythagoras macht sie nicht wärmer
Ob Mann, ob Frau, die Bauernköpfe gesenkt
Was hilft ihnen mein aufrechter Gang
Ein Mann geht vorbei an einer Frau, beide sind barfuß
Und im Vorbeigehen immer wieder Vallejo
Drückt mich, wie ihn damals, der Schuh
Ich weiß um den Wermut,
seine Erotik im Absinth,
von den Stacheln, Mordlust und Liebe,
kenne Wildes Verlangen und das Verlaines.
Auch ich schenkte der Grünen Fee,
ihrer glänzenden Larve, Vertrauen.
Ich weiß um den Wermut,
den bitteren Durst nördlicher Steppen,
ihr Leiden im Sonnenbrand.
Ich soff ganze Seen leer
für einen Lichtblitz - nach Süden.
Ich weiß um den Wermut,
zu finden am Fuße des Fuji,
weiß vom brennenden Wasser
und seinen Wellen, erleide den Durst
Fukushimas blauäugiger Fee.
Ach –
Wermut,
was weiß ich denn schon.
Schreib mir einmal ein Gedicht,
das von den Reimen lebt,
das, wenn es bitter schmeckt,
nicht vor Süße auch klebt,
Überraschungen birgt, nichts was erschreckt,
Freude und Neugier erweckt.
Laß uns
im Himmelblau die Sonne scheinen,
oder beide im Mondlicht spazieren,
die Lungen befreien und heimlich weinen,
im Grün einander verführen.
Wellen und Strand füge hinzu,
Birken und Blumen pflanze hinein,
vergiß die Bank nicht zur Mittagsruh,
du weißt, niemand liegt gerne allein.
Gott ist,
wer Gammablitze rülpst
aus schwarzen Löchern
Novae, Supernovae furzt
Sonnen kackt
und Sternenhaufen
und auf der Erde
mit seinem Ebenbild
die ganze Welt verstänkert…
Zeichnung mit Reim
für H. Johannsen
der plädiert:
Zeichnen und Malen kann jeder
Plötzlich versteh ich
Apfel, Knoblauch, Paprika
vom Borkenkäfer die Manuskripte
Lerchen im Gleitflug
Lärchen im Nadelfall
Schmelzen der Erde und
blaue Kälte verkrustet den Schnee
Blut in den Spuren
von Wolf und Reh
Marmorklippen
die falben Farben darin
Spuren des Sickerwassers
Der Fischer fürchtet
selbst Flüsterworte verdürben den Fang
Den Peters-Fisch erjage stumm
Fischfangflotten
schwimmende Fabriken
Kolosse aus Stahl
Ketten gehen über Korallen
zermalmen den Grund
Laute Kommandos in langen Jahren
Fischer
schweig oder schrei
dein Netz bleibt leer
Erbleichende Klippen
trüben
das Meer