Wenn Du keine Zeit hast
oder Geduld,
um ein Gedicht zu lesen
lies nicht den Titel
sondern den ersten
und den letzten Vers
und versuche den Raum
zwischen diesen wiederherzustellen.
Wenn Du keine Zeit hast
oder Geduld,
um ein Gedicht zu lesen
lies nicht den Titel
sondern den ersten
und den letzten Vers
und versuche den Raum
zwischen diesen wiederherzustellen.
Der helle,
der helle blaue Himmel,
hell von un-hell,
un-hell von hell.
Ein Vogel
entfernt sich singend
ein Vogel
entfernt sich singend
oder nähert sich singend
also ein Punkt in doppelter Bewegung.
Wir hängen
zwischen Himmel und Erde
mit der Selle, mit dem Körper,
voll von so viel Verwunderung-Begeisterung.
In Worten soll ich bluten
wie andere in Ergeignissen
muß ich weinen, muß ich in mich schreien
lediglich ein Flüsten
soll an deie Oberfläche dringen
nur konzentrische Kreise
die sich immer mehr entfernen
verloren gehen in der Ferne
meine Gedicht
soll nicht Geschrei sein
auf dem Dichtungsmeer
nur ein erloschener Widerhall.
Sehsymphonie
In den Augen der Verzweiflung
ist alles schwarz
in den Augen der Hoffnung
ist alles rosarot
in den Augen der Erinnerung
ist alles wie damals
in den Augen des Kindes
ist alles nur Spiel
in den Augen der Jugend
ist alles Liebe
in den Augen des Alters
ist ein Vogel mit silbernem Schnabel
in den Augen des Dichters
ist das ganze Leben
eine unendliche endliche Poesie.
In dieser Nacht
In dieser Nacht
wie Ebenholz
glaubst Du vielleicht ich könnte
nicht mehr
an Deine schönen Haare denken?
In dieser Nacht
mit bitterem Geschmack
glaubst Du vielleicht ich könnte
nicht mehr
an Deine rehbraunen Augen denken?
In dieser Nacht
von Amethyst
glaubst Du vielleicht ich könnte
nicht mehr
an Dein trauriges Antlitz denken?
Brief aus der Ferne
Ich habe eine komische Gewohnheit:
immer hake ich ab
was ich erledigt habe
von einer riesigen Liste
habe ich vieles abgehakt
bis jetzt
obwohl ich bemerke
dass mir mit dem Vorbeigehen der Jahre
das Abhaken schwerer fällt
aber morgen, ja, morgen,
meine Liebste,
werde ich mein Leben abhaken.
Bekenntnis
Von allen Künsten
ist Dichtung die billigste
und liegt auf der Hand
für den Schöpfer.
Deshalb
vermehren sich die Dichter
wie die Pilze nach dem Regen.
Man braucht
nur ein Papierblatt
(wenn möglich weiß)
und einen Bleistift
(wenn möglich gespitzt).
Von allen Künsten
ist Dichtung die billigste
und liegt auf der Hand
für den Schöpfer.
Deshalb
vermehren sich die Dichter
wie die Pilze nach dem Regen.
Das Leben. Mögliche Definition
Eine Flut und eine Ebbe ist das Leben
eine Geburt und ein Tod
dazwischen - ein Edelreis am Anfang
danach ein prächtiger Baum
mit den Ästen im Wind gewachsen
wie zerstreute Haare
seine fruchtbaren Samen
werden Früchte tragen für andere Bäume
die zu ihrer Zeit
den Wald weiter leben lassen
und sich in der Umgebung verbreiten
wie ein Fluss, der über seine Ufer fließt.
Vielleicht war es...
Vielleicht war es ein Lied
vielleicht war es eine Meinung
vielleicht war es eine Stimme
vielleicht war es eine Stille
vielleicht war es ein Krach
vielleicht war es ein Geschrei
vielleicht war es ein Klang
vielleicht war es ein Flaschenzug
vielleicht war es ein Gelächter
vielleicht war es ein Knarren
vielleicht war es eine Totenklage
vielleicht war es ein Seufzer
vielleicht war es eine Nachtigall
vielleicht war es eine Toteneule
vielleicht war es ein Specht
der rythmisch an mein Herz klopft.
Zwei Dichter Der Dichter des Morgenlandes |
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Rhetorische Fragen, fast identisch
Darf
die Dichtung
in einer Welt
die sich in ihrer Selbstzerfleischung
wohl zu Grunde richtet
genau so einfach sein?
Darf
die Dichtung
in einer Welt
die sich in ihrer Selbstzerfleischung
wohl zu Grunde richtet
anders als einfach sein?
Darf
die Welt
die sich in ihrer Selbstzerfleischung
wohl zu Grunde richtet
der Dichtung
Maßstäbe setzen?
Ich
Ich bin
ich bin der Dichter
ich bin der traurige Dichter
ich bin der traurige Dichter der dichtet
ich bin der traurige Dichter der traurig dichtet
ich bin der traurige Dichter der traurige Gedichte dichtet
in meinen Gedichten weint das ganze Poem
in meinen Gedichten weint die ganze Strophe
in meinen Gedichten weint jeder Vers
in meinen Gedichten weint jedes Wort
in meinen Gedichten weint jeder Buchstabe
ich schreibe meine Gedichte immer
schwarz auf weiss
weil ich der Dichter bin
der im Gedicht weint.
Ich
Ich bin
ich bin der Dichter
ich bin der traurige Dichter
ich bin der traurige Dichter der dichtet
ich bin der traurige Dichter der traurig dichtet
ich bin der traurige Dichter der traurige Gedichte dichtet
in meinen Gedichten weint das ganze Poem
in meinen Gedichten weint die ganze Strophe
in meinen Gedichten weint jeder Vers
in meinen Gedichten weint jedes Wort
in meinen Gedichten weint jeder Buchstabe
ich schreibe meine Gedichte immer
schwarz auf weiss
weil ich der Dichter bin
der im Gedicht weint.
Selbstbildnis (I)
Ich bin
nur ein Vogel
mit verbrannten Flügeln
Selbstbildnis (II)
Gestützt auf eine Lilie
- bin ich nicht gefallen
an eine Flocke gehängt
-bin ich geflogen
in einem Vogel versteckt
-habe ich gesungen
Selbstbildnis (III)
Stalaktit
in meiner eigenen Höhle
die Stille
tropft
sprechende Tränen
Selbstbildnis (IV)
Verbrannt von Fragen,
mit geflickter Jacke und Hose,
nach außen Bettler
in Innern Prinz
Selbstbildnis (V)
Wie die Schnecke ihre eigene Kokille
trage ich meine eigene Traurigkeit
in das Gesicht gedruckt.
Selbstbildnis (VI)
Es ist mir eine weiße Strähne erschienen
als Zeichen, dass die Jugend vorbei ist
aber ich tröste mich mit dem Gedanken,
dass das, in jedem Fall, ein Adelstand ist..
Statistik
Wenn jeder dritte Mensch
dieses Planeten
Gedichte schreibt
und wenn jeder zehnte
Gedichte kauft
wann komme ich an die Reihe
ein Bändchen zu verkaufen?
(möglicherweise
hätte ich
auf einem anderen Planeten
mehr Erfolg)
Mikropoem mit Vögel (I)
Wenn die Traurigkeit
ein Vogel wäre
flöge sie
von mir zu Dir
wie eine Brieftaube.
Mikropoem mit Vögeln (II)
Ununterbrochene Bestrebung Richtung Sonne
- diaphanes, glühendes Licht -
Die Vögeln weinen
wenn sie fliegen lernen.
Mikropoem mit Vögeln (III)
Wie ein Käfig mit Vögeln
ist jeder Gedichtband:
wenn man ihn öffnet
hebt sich ein Vogel empor.
Mikropoem mit Vögeln (IV)
Was für ein Unterschied
ist
zwischen einem Vogel und einem Gedicht?
keiner
und der eine und das andere singen
und der eine und das andere fliegen
und der eine und das andere
fliegen singend
und singen fliegend.
Ich will
(nach Hilde Domin)
Ich suche ein weißes Blatt
so groß wie ich
ein Meter zweiundsiebzig
wo ich
Worte die brennen
Worte die wehtun
schreiben will
überzeugt davon
dass nur so
die Demokratie ins Leben gebracht wird.